Der Bücherwurm liebt die Intimität, gerne nimmt er sich auch Zeit um die Seiten eines Buches ausgiebig zu konsumieren – für all das benötigt er eine besondere Umgebung, ist Bernhard Cella, Gründer des „Salons für Kunstbuch“ überzeugt. Was vor mittlerweile fast zehn Jahren als Kunstprojekt (Cella startete seinen Salon als Modell einer Buchhandlung um das Thema Buch künstlerisch zu untersuchen) seinen Anfang nahm, ist heute ein Biotop der ungewöhnlichsten Bucharten. In das kleine ehemalige Atelier in der Mondscheingasse kommen Besucher der unterschiedlichsten Art: Bücherliebhaber, Kunstinteressierte oder schlicht und einfach neugierige Passanten. Viele sind anfangs einigermaßen verwirrt. Der Salon für Kunstbuch ist keine Buchhandlung und doch sind ein Drittel der Bücher, die hier nach Farben sortiert in den Regalen und Tischen lagern, käuflich zu erwerben.

Ob sie mit nach Hause genommen werden dürfen, hängt in erster Linie von den Stückzahlen ab, die erzeugt wurden und Cella zur Verfügung stehen. Die Palette erstreckt sich vom „Buch“, das aus einer Reihe von Postkarten besteht, über eine Sammlung von gebundenen Fanzines bis hin zu großformatigen Druckwerken. Letztere können sowohl aus diversen Drucken von Aktzeichnungen in 3D als aus einer Best-of-Collagen von Berichten aus italienischen Life Style Magazinen der 60er Jahre bestehen. Eines der ungewöhnlichsten Werke, die im Salon ihren „Lebensraum“ gefunden haben (zumindest die Kulturfüchsin konnte es kaum glauben) ist ein Tennisplatz in Buchform. Für Cella ist dieses Buchprojekt nicht weiter ungewöhnlich. Als Künstler versteht er das Buch ohnedies als gedruckten Raum. Ein Kunst-Raum, der sich mit dem Wandel im digitalen Zeitalter plötzlich neuer Möglichkeiten bewusst wurde.

„Viele der Bücher, die hier zu bestaunen sind, hätte es vor zehn Jahren unmöglich geben können“, ist Cella überzeugt. Seit Jahrhunderten galt das Buch als das Transportmedium von Informationen unterschiedlichster Art, mit dem Aufkommen des Internets wurde es langsam von seiner Rolle als prägnanter Informationslieferant befreit. Dadurch ergaben sich unzählige neue Spielarten. Viele der heute gestalteten Bücher sind höchst komplex. Ihr Format oftmals weitab von der Norm. „Das Buch ist in der Kunst das am wenigsten unter Beobachtung stehende Medium“, ist sich Cella sicher. Vielleicht gerade deshalb hat der Künstler mit seinem Projekt mittlerweile in der Kunstwelt einiges an Beachtung erfahren.

Ein wachsendes Rhizom

Seit 2011 ist das Projekt im Teil-Besitz des 21er Hauses, wo es anstelle eines Shops fungiert. Die ehemalige Direktorin Agnes Husslein sei damals auf ihn zugekommen, da sie etwas anderes wollte als einen Ort, der dazu dient kommerzialisierten Nippes anzubieten. Aber auch italienische Museen sowie das Guggenheim Museum haben sich von der Lebendigkeit des Salons bereits vor Ort überzeugt.

Als ständig wachsendes Rhizom erstreckt sich der Salon für Kunstbuch mittlerweile von rund 10.000 Buchprojekten über diverse Veranstaltungen bis hin zu wissenschaftlichen Abhandlungen. Besonders stolz ist Cella auf sein „NO-ISBN“- Buchprojekt, in dem er nicht nur Bücher aus der Sammlung vorstellt, sondern auch internationale Protagonisten der Kunstszene zu Wort kommen lässt. Gerade arbeitet er zudem an einer Publikation über den Salon im 21er Haus, der pünktlich im November zum Fünf-Jahres-Fest fertig sein soll.

Gerne dürfen sich auch Außenstehende an seinem Projekt beteiligen und hier ihr produziertes Kunstbuch vorbeibringen. Ein Zeichen der Zeit? Der moderne Bücherwurm – er scheint nicht mehr ausschließlich zu konsumieren, sondern ist mittlerweile dazu übergegangen Bücher auch zu kreieren. Wer sich für ein Projekt Anregungen holen möchte, kann dies noch wenige Wochen in der Mondscheingasse tun, danach wird der Salon für Kunstbuch in der Luftbadgasse sein neues Zuhause finden, wo er neben mehr Platz auch wieder verstärkt mit Ateliercharakter aufwarten wird.

Salon für Kunstbuch
Mondscheingasse 11,
1070 Wien
Öffnungszeiten: Di: 14.00-18.00 Uhr und Mi-Fr: 14.00-19.00 Uhr
http://www.salon-fuer-kunstbuch.at/

21er Haus, dort mit einem Fokus on Austria, eine Übersicht über alle aktuellen österreichischen Kunstpublikationen seit 2011

Geschrieben von Sandra Schäfer